Regrowing - Zweite Chance für erste Ernte
Aus Resten von Gemüse – etwa Strünken oder Kernen – können mit wenig Aufwand wieder neue Pflanzen wachsen. „Regrowing“ heißt dieser Trend, der auch die kleinsten Fensterbänke im Sturm erobert hat.
Hinter dem begriff „Regrowing“, zu Deutsch am ehesten mit „nachwachsen“ zu übersetzten, steckt ein einfaches wie faszinierendes Prinzip: Statt Gemüsereste wegzuwerfen, wird ihnen ein zweites Leben geschenkt – indem man sie weiterwachsen lässt. Streng genommen fällt unter Regrowing nur die Stecklingsvermehrung, also die Weiterzucht aus Sprossen, die dann neue Wurzeln bilden, was auch vegetative Vermehrung genannt wird. es braucht dazu keine samen, aus denen eine neue Pflanze entsteht. Vielmehr werden die Nachkömmlinge direkt aus einem Teil der Mutterpflanze gezogen. Das funktioniert, weil die Zellen von Pflanzen „totipotent“ sind – jede einzelne Zelle enthält das komplette genetische Material der Pflanze und ist somit in der Lage, sich zu teilen und zu einer komplett neuen Pflanze zu entwickeln. Sichtbar wird diese Eigenschaft, wenn aus einem Stängel, etwa Rosmarin, neue Wurzeln sprießen. Jede so entstandene neue Pflanze enthält wieder das komplette Genmaterial der Mutterpflanze und kann ebenfalls vermehrt werden. Lasset das Wachsen beginnen Grundsätzlich funktioniert Regrowing mit vielen pflanzlichen Lebensmitteln.
1. Lauch:
Genau wie bei der Frühlingszwiebel sollten die weißen Wurzelenden noch vorhanden sein. Das wenige Zentimeter lange Reststück mit den Wurzeln nach unten in ein Wasserglas geben, an einen hellen Ort stellen und alle paar Tage das Wasser erneuern. Entweder im Wasserglas lassen oder in Anzuchterde umsetzen, sodass der Kopf herausschaut, und einige Wochen regelmäßig gießen, dann ist er reif für die Ernte.
2. Kräuter:
Basilikum, Minze, Rosmarin und andere frische Kräuter lassen sich ganz einfach vermehren. Dazu einzelne, etwa fünf bis sieben Zentimeter lange Stängel abschneiden und am unteren Ende von einzelnen Blättern entfernen. Die Stängel für einige Tage in ein Glas mit Wasser stellen, bis sich neue Wurzeln gebildet haben. Dann können die Kräuter in einem Topf mit Erde weiterwachsen.
3. Ingwer:
Ein Projekt für Geduldige: Ingwer nachzuziehen dauert, lohnt sich aber! Eine frische, feste Knolle Ingwer über Nacht in warmes Wasser legen und danach in einen Blumentopf mit Erde einsetzen, leicht mit Erde bedeckt. An einem warmen, schattigen Ort sollte die Erde immer feucht gehalten werden – bis nach einigen Wochen die ersten Blattsprossen sichtbar werden. Ab dann den Ingwer warm und hell, wenn auch nicht ins direkte Sonnenlicht übersiedeln. Es dauert rund ein Jahr, bis eine neue Knolle geerntet werden kann.
4. Zwiebel:
Sie sind besonders pflegeleicht, wenn es um Regrowing geht: Das Wurzelende kann direkt in die Erde eingesetzt werden. Der eingepflanzte Rest sollte dabei etwa zwei Zentimeter hoch sein und rund vier Zentimeter Durchmesser haben. Mit den Wurzeln nach unten in die Erde legen und mit Erde bedecken. An einem sonnigen Ort stehen lassen und regelmäßig gießen.
5. Kartoffel:
Gerade wenn Kartoffeln schon etwas älter sind und bereits Triebe ausgebildet haben, sind sie kein Fall für den Mist, sondern das ideale Regrowing-Projekt. Die Knolle halbieren und liegen lassen, bis die Schnittstelle ausgetrocknet ist – das verhindert, dass die Kartoffel in der Erde zu faulen beginnt. Dann die Knolle tief in einem großen (etwa 10 l Volumen) Topf (oder einem ausrangierten Stoffbeutel) mit Erde platzieren. Nach einiger Zeit sind an der Oberfläche die Triebe einer neuen Kartoffelpflanze zu sehen. Nach drei bis vier Monaten bilden sich unterirdisch neue Kartoffeln aus.
6. Romana-Salat:
Diese Salatsorte ist ein Parade-Beispiel für Regrowing-Projekte, da sie sehr zuverlässig nachwächst. Dazu den Strunk, etwa fünf Zentimeter hoch, in Wasser legen. Etwa die Hälfte des Strunks sollte immer im Nassen sein. Rund eine Woche bleibt er an einem hellen Plätzchen, bis neue Wurzeln sichtbar werden und aus dem abgeschnittenen Ende frisches Grün treibt. Den Strunk in die Erde setzen, sodass die neu ausgetriebenen Blätter sichtbar bleiben. An einem hellen Ort stets feucht halten und nach wenigen Wochen neuen Salat ernten.
"Regrowing ist nicht nur nachhaltig, sondern auch spannend – besonders mit Kindern"
Michaela Titz, Bloggerin
Bei manchen geht es einfacher, bei anderen ist es wirklich schwierig. Eine Ananas aus dem Strunk zu ziehen ist so etwas wie die Königsdisziplin. Selbst unter idealen Bedingungen, was Licht und Wärme betrifft, ist es fast unmöglich, und es dauert jedenfalls Jahre, bis neue Früchte entstehen. Einfacher ist es mit Sorten wie Frühlingszwiebeln, Lauch, Zitronengras, Romana-Salat oder Stangensellerie. Auch Meerrettich, Topinambur, Kartoffeln, Karotten, Kohlrabi, Pilze, Rote Rüben oder Zwiebeln sind recht vermehrungsfroh. Genauso wie Kräuter: Basilikum oder Rosmarin etwa wachsen recht einfach nach.
Perfekt für den Einstieg
Ein ideales Regrowing-Einsteiger-Gemüse ist übrigens die Frühlingszwiebel. Das Prinzip ist dabei das gleiche wie bei anderen Sorten: Der nicht zu kleine Strunk (etwa fünf Zentimeter sind ideal, die kleinen Wurzeln bleiben dran) wird nicht in den Biomüll-Eimer geworfen, sondern in ein mit Wasser gefülltes Glas gestellt. Dort bleibt er einige Tage. Das Wasser sollte regelmäßig getauscht werden, sonst kann es unangenehm zu riechen oder zu faulen beginnen. Schon nach einigen Tagen ist zu beobachten, wie am Frühlingszwiebel-Strunk frisches, helles Grün zu sprießen beginnt und sich neue Würzelchen bilden. Nun kann der Strunk umgetopft werden. Dazu ein Töpfchen mit Erde – idealerweise Anzuchterde – füllen und den Strunk darin einpflanzen. Wer keine Erde zur Hand hatkann die Frühlingszwiebel auch einfach im Wasserglas lassen. Auch dort kann sie zum Wachsen gebracht werden.
Vom richtigen Standort
Damit ist das Regrowing erledigt! Ab jetzt ist es wichtig, einen guten Standort zu finden. Die Bedürfnisse sind für jede Pflanze etwas anders, generell lieben es aber alle hell und warm. Die Erde sollte feucht gehalten werden. Frühlingszwiebeln sind extrem wuchsfreudig: Etwa einen Zentimeter am Tag legt das Pflänzchen zu und hat so nach ein, zwei Wochen wieder eine brauchbare Größe erreicht. Einmal abgeerntet, kann man den Strunk erneut einsetzen und sich immer wieder an frischen Frühlingszwiebeln erfreuen. ganz nebenbei macht Regrowing aber vor allem eines: Spaß. Abgesehen davon, dass man Lebensmittelabfall vermeidet und Geld spart, ist es schön, den Pflanzen beim Wachsen zusehen zu können. Gelingt ein Nachwuchs-Projekt nicht, ist es auch nicht schlimm. Den Versuch ist es auf jeden Fall wert! Übrigens: Jetzt im Frühling klappt das Regrowing besonders gut.
3 Fragen an Michaela Titz
Auf ihrem Blog (www.littlebee.at) schreibt sie über ihre Leidenschaft für saisonale Küche und gegen Lebensmittelverschwendung. Auch Regrowing ist ein großes Thema für sie.
1. Wie kochst du gegen Lebensmittelverschwendung an?
Ich versuche aus allen Lebensmitteln das größtmögliche Potenzial zu schöpfen. Aus den Schalen von Zitrusfrüchten stelle ich Reinigungsmittel her, die Abfälle von Äpfeln und Birnen werden zu selbst gemachtem Essig. Und altes Brot verarbeite ich zu French Toast oder Bröseln oder mache Knödel daraus.
2. Welche Erfahrungen hast du mit Regrowing gemacht?
Es ist eine der einfachsten Möglichkeiten, um Gemüse eine zweite Chance zu geben. So wachsen die Blätter von Salaten, Karotten oder auch Roten Rüben einfach nach, wenn man die Gemüsereste ins Glas stellt. Nicht nur eine wunderbar nachhaltige Idee, sondern auch besonders spannend – vor allem mit Kindern.
3. Hast du eine Regrowing-Rezeptidee?
Radieschen lassen sich nochmals zum Wachsen bringen. Zwar werden keine neuen Knollen gebildet, aber die knackigen Radieschenblätter, die meist völlig zu Unrecht auf dem Müll landen, wachsen wieder nach. Sie sind genauso zu verarbeiten wie Spinatblätter und schmecken nicht nur roh als Salat. Aus ihnen lassen sich auch allerlei Gerichte zaubern, wie etwa Radieschenblättersuppe mit Käse.